Was hat ein Truthahn mit Prognosen bei Börseninvestitionen zu tun?
Klar ist, dass die Marktteilnehmer den Markt in ihrer Gesamtheit nicht schlagen können, da alle Marktteilnehmer zusammen ja den Markt bilden. Über kurze Zeiträume gibt es immer wieder Investoren oder Fondsmanager, die erfolgreicher sind als die Masse. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es nur sehr wenigen Investoren und Fondsmanagern gelingt, den Markt über lange Zeiträume hinweg zu schlagen.
Die „Effizienzmarkthypothese“ der Nobelpreisträger Fama und French besagt, dass kein Anleger einen Informationsvorsprung hat, den er dazu nutzen kann, auf Dauer überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen. Langfristig sei der Markt effizient. Dem halten die Anhänger der „Verhaltensökonomie“ (Behavioral Finance ) entgegen, dass es immer Investoren und Fondsmanager gebe, die sich irrational verhielten. Deshalb gebe es auch immer falsch bewertete Aktien, die andere Investoren nutzen, um Überrenditen zu erzielen. Für den Normalverbraucher ergibt sich aus dem Verhalten aber eher das „Behavioral Gap“. Die Lücke (Gap) zwischen den Informationen aus dem Markt und seinem Handeln. In der Regel wird zyklisch gehandelt und man läuft Märkten nach. Und dadurch spielt auf kurze Sicht an der Börse die Psychologie (Verhalten) eine große Rolle, die Kurse oft relativ stark schwanken lässt. Diese lassen sich für spekulative Gewinne nutzen. Langfristig tendieren die Märkte aber in Richtung Effizienz und ermöglichen kaum einem Anleger dauerhafte Überrenditen. Dabei werden heute die privaten Investoren eher Opfer Ihres Verhaltens, da Sie versuchen rational zu handeln, aber schon in Ihrem Handeln gegen den technischen Handel absolut unterlegen sind. Zumindest schon auf der Zeitachse.
Was sagt die Wissenschaft?
Es gibt reichlich Studien, die zu dem eindeutigen Ergebnis kommen, dass sich mit aktiven Anlagestrategien der Markt auf Dauer nicht schlagen lässt. Diese Studien kommen, wen wundert`s, aus Universitäten und anderen unabhängigen „Denkfabriken“. Sie kommen nicht aus großen Banken, Versicherungen oder Fondsgesellschaften. Das ist verständlich, da diese Institutionen vor allem dann viel Geld verdienen, wenn die Investoren aktive Investmentstrategien verfolgen und ihre Depots möglichst oft umschichten. Hier möchte ich gern den Gründer von Vanguard (großer amerikanischer Vermögensverwalter) John. C. Boogle zitieren:“ Hüten Sie sich vor Finanzinnovationen. Warum? Weil die meisten dafür angelegt sind, den Innovator zu bereichern und nicht den Investor“.
Oder wenn Sie auch sogenannten Experten wie Volkswirten bei Prognosen zuhören um gespannt auf aktuelle Informationen und Prognosen für das Jahr 2018 zu erhalten. Hier ein passendes Zitat dazu:
Ein Volkswirt ist ein Experte, der morgen weiß, warum die Dinge, die er gestern vorhergesagt hat, heute nicht passiert sind.
– Laurance J. Peter, Wirtschaftsnobelpreisträger
Zu dem Dilemma Prognose und Handeln aufgrund vermeintlich vollständiger Informationen passt auch ein Gleichnis von dem Psycholgen Gerd Gigerenzer (Spiegelinterview 2013).
Die Truthahn-Illusion ist die Illusion, dass man unbekannte Risiken berechnen könnte.
Warum sie so heißt? Nun, nehmen Sie an, Sie wären ein Truthahn. Am ersten Tag Ihres Lebens kommt ein Mann zu Ihnen, und Sie fürchten, er könnte Sie umbringen. Aber er füttert Sie. Am nächsten Tag kommt er wieder, und er füttert Sie wieder. Jetzt fangen Sie an zu rechnen und kommen zum Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er Sie umbringen wird, mit jedem Tag sinkt. Am hundertsten Tag sind Sie sich fast sicher, dass der Mann Sie wieder füttern wird. Was der Truthahn nicht weiß: Dies ist der Tag vor Thanksgiving, wo der Truthahnbraten auf den Tisch kommt.
– Gerd Gigerenzer, Psychologe
Das lehrt uns: Einen Trend zu extrapolieren und den bevorstehenden Trendbruch nicht zu erkennen, kann buchstäblich tödlich sein.
Unbekannte Risiken können den Berechnungen der Prognostiker also jederzeit ein Schnippchen schlagen. Dabei können selbst kleinste Schwankungen sich addieren und große Effekte entfalten. Solche Veränderungen sind aber kaum erkennbar, und wenn doch, ist es praktisch unmöglich, ihre Folgen zu berechnen.
Ob es für Anleger vorteilhafter ist, eine aktive oder eine passive Anlagestrategie zu wählen, lässt sich nicht eindeutig sagen. Tendenziell gilt jedoch: Je effizienter ein bestimmter Markt ist, desto schneller fließen verfügbare Informationen in die Kurse ein und desto schwieriger wird es für aktive Anleger oder Fondsmanager, die Benchmark zu übertreffen. Außerdem nimmt mit zunehmendem Anlagehorizont die Bedeutung der Kosten für die Nettorendite des angelegten Geldes zu. Die gegenüber aktiv gemanagten Finanzprodukten wesentlich niedrigere Kostenbelastung passiver Produkte, wie Indexfonds und ETFs, spricht deshalb besonders für langfristig orientierte Investoren.
Allerdings gibt es auch hier Einschränkungen und kein Patentrezept, welches für alle Anleger gleich ist. Wenn Finanzinnovationen z.B. Indizes nachbilden, dann vergisst man vielleicht, dass in einem ETF oder Indexfonds den Eurostoxx 50 als Index nachbilden, dass dieser zu mehr als 20 Prozent aus Finanztiteln besteht.
Ob diese Konzentration gewünscht ist beim Anleger, dass müssen Kunden oder Berater im Gespräch mit dem Kunden erarbeiten. In vielen Versicherungsprodukten findet sich aber genau das wieder und ist sicherlich keine gute Streuung im Sinne von Diversifizierung. Da nützen auch niedrige Kostenstrukturen nicht viel. Oder wenn man den Dow Jones Industrial nehmen würde. Da fehlen z.B. Google und Co. Die sind darin gar nicht enthalten.
Für den Normalkunden wären also auch bei den Index- und ETF Fonds eine größte mögliche Streuung ein wichtiger Weg zu weniger Schwankungen.
Und jeden Tag gefüttert zu werden, bedeutet nicht automatisch, dass auch morgen noch kraftvoll zugebissen werden kann.