13.05.2025

in Finanzcoaching, Partner, Ratgeber, Riskprofiling, Vermögensberatung

Walter Wildhagen

Diplom Ökonom Walter Wildhagen ist unabhängiger Finanzexperte (CFP®) mit über 25 Jahren Erfahrung. Regelmäßig erkundet er für Sie die Grenzen und Möglichkeiten der Finanzwelt in praxisnahen Beiträgen und auf seinem LinkedIn Profil.

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Kapitalflüsse verlagern sich: Warum Europa, Japan – und Sachwerte – jetzt im Fokus stehen

Makroökonomischer Ausblick für Anleger

Die Investmentwelt befindet sich im Wandel. Während die wirtschaftliche Dynamik in den USA nachlässt, rücken Regionen wie Europa und Japan zunehmend in das Blickfeld internationaler Investoren. Gleichzeitig gewinnen Sachwerte als Gegengewicht zu Währungsrisiken und Inflation an Bedeutung. Doch worauf kommt es jetzt wirklich an?

1. Der US-Dollar verliert an Stärke – und Kapital sucht Alternativen

Über viele Jahre war der US-Dollar der sichere Hafen für globales Kapital. Doch inzwischen zeigt sich eine strukturelle Abschwächung – ausgelöst durch mehrere makroökonomische Faktoren.

Wirtschaftliche Abkühlung in den USA

Das US-Wachstum hat sich in den letzten Quartalen spürbar abgeschwächt. Die OECD verweist auf eine nachlassende Konsumdynamik und geringere Investitionstätigkeit[^1].

Arbeitsmarkt kühlt sich ab

Die Federal Reserve berichtet, dass das Verhältnis von offenen Stellen zu Arbeitssuchenden seit 2022 kontinuierlich sinkt – ein Signal für einen weniger angespannten Arbeitsmarkt[^2].

Inflationserwartungen bleiben erhöht

Obwohl die US-Inflationsrate zwischenzeitlich zurückkam, zeigen Umfragedaten der University of Michigan und Marktindikatoren (5-Year Breakeven Inflation Rate), dass die langfristigen Inflationserwartungen hartnäckig bleiben[^3][^4].

Begrenzter Zinsspielraum der US-Notenbank

Die Fed agiert vorsichtiger, weil die reale Wirtschaftsaktivität schwächelt und zu schnelle Zinssenkungen Inflationsrisiken verstärken könnten[^5].

Konsequenz:
Institutionelle und private Investoren beginnen, Positionen im US-Dollar zu reduzieren und Kapital in stärker diversifizierte Währungs- und Wirtschaftsregionen umzuschichten.

Merksatz: Kapital folgt Stabilität – nicht Emotion.

2. Bewertungsniveau: Europa und Japan bieten attraktiveres Chancen-Risiko-Verhältnis

Ein nüchterner Blick auf die Bewertungskennzahlen (insbesondere das Kurs-Gewinn-Verhältnis, KGV) zeichnet ein klares Bild.

Aktuelle KGV-Vergleiche (Stand: 2024/2025, basierend auf MSCI-Indizes)

  • USA: ca. 25[^6]
  • Europa: ca. 17[^6]
  • Japan: ca. 15[^7]

Damit liegt Japan rund 11 % unter Europa – und deutlich unter den hoch bewerteten US-Aktien.

Warum günstigere Bewertungen wichtig sind

  • Sie bieten bessere langfristige Renditeerwartungen, wie zahlreiche Studien (u. a. von Robert Shiller und Dimson/Marsh/Staunton) belegen[^8].
  • Niedrigere Bewertungen liefern einen Puffer gegen Marktschwankungen.
  • Regionen mit stabilen politischen Rahmenbedingungen – Europa, Japan – profitieren von einer veränderten geopolitischen Präferenz internationaler Anleger.

Beispiel:
Wenn zwei Märkte gleiche Gewinnwachstumsprognosen haben, aber Markt A mit KGV 25 und Markt B mit KGV 15 bewertet ist, erhält man für jeden investierten Euro in Markt B deutlich mehr tatsächliche Ertragskraft.

3. Japan rückt ins Rampenlicht – aus guten Gründen

Japan erlebt einen bemerkenswerten strukturellen Wandel. Jahrzehntelang übersehen, entwickelt sich das Land zu einem Magneten für internationale Kapitalströme.

Technologische Führungsrolle

Japan gehört zu den weltweit führenden Nationen bei:

  • Halbleiterfertigung
  • Robotik
  • Batterietechnologien
  • Quantencomputing

Laut OECD entfielen 2023 rund 3,3 % des BIP auf Forschung & Entwicklung – einer der höchsten Werte weltweit[^9].

Solide Unternehmensstrukturen

  • Hohe Eigenkapitalquoten
  • Verbesserte Corporate-Governance-Standards
  • Steigende Aktionärsorientierung (Rückkäufe, Dividenden)

Geopolitische Bedeutung

Japan ist zentraler Partner der USA in Asien – ein strategischer Vorteil in einer multipolaren Weltordnung[^10].

Prominente Investoren setzen ein Signal

Warren Buffett erhöhte über Berkshire Hathaway die Beteiligungen an japanischen Handelshäusern (sog. Sogo Shosha) substanziell – und betonte deren langfristige Attraktivität[^11].

Merksatz: Japan ist kein Zykliker mehr – es ist ein struktureller Gewinner mit globaler Relevanz.

4. Wenn Kapital Alternativen sucht – steigen Sachwerte im Ranking

In Phasen wirtschaftlicher Unsicherheit und schwankender Währungen gewinnen reale Vermögenswerte an Bedeutung. Sie dienen als Inflationsschutz, Diversifikationsbaustein und stabile Wertreserve.

Seltene Erden

  • Unverzichtbar für Elektromobilität, Windkraft, Halbleiter, Rüstung
  • Angebot konzentriert auf wenige Länder (v. a. China)
  • Strategische Bedeutung steigt laut EU Critical Raw Materials Act[^12]

Anlagediamanten

  • Hohe Wertdichte
  • Einfache, steuerlich vorteilhafte Übertragbarkeit
  • Keine Mehrwertsteuer auf Anlagequalitäten in der EU[^13]

Fotokunst

  • Geringe Korrelation mit Aktienmärkten
  • Steigendes globales Auktionsvolumen laut Art Basel & UBS Art Market Report[^14]

Luxusuhren

  • Marken wie Rolex, Patek Philippe und Audemars Piguet zeigen langfristige Wertstabilität
  • Sekundärmarkt wächst zweistellig[^15]

Wichtiger Hinweis:
Sachwerte sind ergänzende Bausteine – niemals Ersatz für ein breit diversifiziertes Portfolio.

Die Verschiebungen an den globalen Kapitalmärkten wirken auf den ersten Blick komplex, folgen aber einer einfachen Mechanik: Kapital sucht Orte, an denen Stabilität, Bewertung und Zukunftsfähigkeit zusammenfinden. Genau das erleben wir derzeit in Europa und Japan – während die USA strukturell an relativer Stärke verlieren. Für Anleger bedeutet das vor allem eines: Weg vom Automatismus „USA zuerst“, hin zu einer bewusst ausgewogeneren globalen Allokation.

Wer darüber hinaus einen Schutzschild gegen geldpolitische und geopolitische Unsicherheiten aufbauen möchte, wird bei Sachwerten fündig. Sie entwickeln ihren Wert aus Knappheit, Nutzen oder kulturellem Status – nicht aus Zinszyklen. Diese Eigenschaft macht sie gerade in Phasen erhöhter Inflationserwartungen interessant. Wichtig bleibt allerdings: Sie sind Ergänzung, nicht Ersatz. Ein Vermögen gewinnt Stabilität erst durch das Zusammenspiel verschiedener Bausteine.

Um diesen Wandel einzuordnen, hilft ein strukturierter Blick auf das eigene Portfolio. Viele Anleger stellen fest, dass sie über Jahre hinweg unbewusst eine starke US-Lastigkeit aufgebaut haben – schlicht weil die letzten zehn Jahre vom amerikanischen Technologiemarkt dominiert waren. Doch Kapitalmärkte sind zyklisch, und Bewertungsniveaus sind ein verlässlicherer Kompass als die Trends der Vergangenheit. Wer also heute seine Vermögensstruktur überprüft, richtet den Blick weniger auf die „Gewinner von gestern“ und mehr auf Regionen, die zu vernünftigen Preisen solide Ertragskraft bieten.

Damit dies nicht im Bauchgefühl endet, kann eine kleine Entscheidungshilfe Orientierung geben:

  • Wie hoch ist der Anteil der USA im Gesamtportfolio – und wäre er auch dann noch angemessen, wenn die Outperformance des letzten Jahrzehnts nicht zurückkehrt?
  • Haben Europa und Japan ein Gewicht, das der aktuellen Attraktivität ihrer Bewertungen entspricht?
  • Sind reale Werte – Rohstoffe, Kunst, Uhren oder Diamanten – bewusst als stabilisierende Ergänzung eingeplant?
  • Sind Währungsrisiken berücksichtigt, insbesondere wenn ein Großteil der Anlagen direkt oder indirekt am US-Dollar hängt?
  • Gibt es klare Regeln, wann und wie eine Umschichtung stattfindet, oder entstehen Entscheidungen eher spontan aus Marktstimmungen heraus?

Eine kurze Beispielrechnung unterstreicht die Relevanz:
Ein Portfolio mit 70 % US-Aktien war in den letzten zehn Jahren kaum zu schlagen. Doch bei einem Bewertungsabschlag von über 30 % zwischen den USA und anderen Industrieregionen genügt schon eine moderate Rotation der globalen Kapitalflüsse, um die Ertragsbalance deutlich zu verschieben. Ein Portfolio, das in solchen Phasen breiter aufgestellt ist, fängt nicht nur Schwankungen besser ab – es partizipiert auch an neuen Wachstumspolen.

Gerade für Menschen, die Vermögen nicht nur aufbauen, sondern sichern wollen – beispielsweise in der Ruhestandsplanung – wird dieser Perspektivenwechsel entscheidend. Denn die kommenden Jahre dürften weniger von spektakulärem Wachstum einzelner Sektoren geprägt sein, sondern stärker von einer nüchternen Rückkehr zu fundamentalen Bewertungen und globaler Diversifikation. Eine bewusste Neuordnung der eigenen Vermögensstruktur kann hier ein beruhigender Anker sein.

Kurz zusammengefasst: Die internationale Landschaft verändert sich – und mit ihr die Logik der Kapitalströme. Wer das eigene Portfolio jetzt mit einem klaren Blick auf Bewertungen, geopolitische Stabilität und substanzorientierte Bausteine ausrichtet, schafft die Grundlage für ein widerstandsfähiges Vermögen in einem unruhigen Jahrzehnt.


Quellen

  1. OECD Economic Outlook 2024 – OECD.
    https://www.oecd.org/economic-outlook
  2. JOLTS Labor Market Data 2024 – U.S. Bureau of Labor Statistics.
    https://www.bls.gov/jlt
  3. University of Michigan – Inflation Expectations 2024 – Surveys of Consumers.
    https://data.sca.isr.umich.edu
  4. 5-Year Breakeven Inflation Rate – Federal Reserve Bank of St. Louis (FRED).
    https://fred.stlouisfed.org/series/T5YIE
  5. Federal Reserve Monetary Policy Report 2024 – Board of Governors of the Federal Reserve System.
    https://www.federalreserve.gov/monetarypolicy
  6. MSCI Equity Index – Valuation Metrics (USA & Europe), 2024 – MSCI.
    https://www.msci.com/indexes
  7. Bank of Japan – Equity Valuation / TOPIX KGV-Daten, 2024 – Bank of Japan.
    https://www.boj.or.jp/en/statistics
  8. Shiller, Robert (CAPE Ratio) – „Valuation Ratios and the Long-Run Stock Market Outlook“, Journal of Portfolio Management.
    Dimson/Marsh/Staunton – „Credit Suisse Global Investment Returns Yearbook“.
  9. OECD – Research & Development Expenditure 2023.
    https://stats.oecd.org
  10. USA–Japan Joint Leaders Statement 2023 – The White House.
    https://www.whitehouse.gov/briefing-room
  11. Berkshire Hathaway – Shareholder Letters 2023/2024 – Warren Buffett.
    https://www.berkshirehathaway.com/letters
  12. EU Critical Raw Materials Act 2023 – Europäische Kommission.
    https://ec.europa.eu/commission
  13. Mehrwertsteuer-Richtlinie der EU (2006/112/EG) – Council Directive.
    https://eur-lex.europa.eu
  14. Art Basel & UBS Art Market Report 2023/2024.
    https://www.artbasel.com/about/initiatives/the-art-market
  15. Deloitte Swiss Watch Industry Study 2023.
    https://www2.deloitte.com

Hinweis: Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Finanz- oder Steuerberatung.

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